
Ein Vorstoß aus Brüssel sorgt derzeit für hitzige Debatten in ganz Europa. Die EU-Kommission plant, die Hauptuntersuchung (HU) für ältere Fahrzeuge deutlich zu verschärfen – konkret soll es künftig eine jährliche TÜV-Pflicht für Autos ab zehn Jahren geben.
Mehr Verkehrssicherheit lautet das erklärte Ziel der Initiative. Doch die Pläne sind noch nicht beschlossen und treffen insbesondere in Deutschland auf Widerstand. Der ADAC zweifelt an der Wirksamkeit der Maßnahme – und verweist auf Daten, die ein ganz anderes Bild zeichnen. Was würde sich für Autofahrer ändern? Welche Argumente gibt es dafür – und dagegen? Wir werfen einen genaueren Blick auf den Vorschlag, seine möglichen Folgen und die Kontroverse dahinter.
1. Was die EU plant – und wer betroffen wäre

Die EU-Kommission schlägt vor, alle Autos mit einem Alter von über zehn Jahren jährlich zur Hauptuntersuchung zu schicken. Das Ziel: Mehr Sicherheit im Straßenverkehr durch bessere Wartung alter Fahrzeuge. In Deutschland wären über 23 Millionen Pkw betroffen – das entspricht knapp der Hälfte aller zugelassenen Autos.
Aktuell müssen Fahrzeuge nach der ersten HU im dritten Jahr alle zwei Jahre zur Prüfung – unabhängig vom Alter. Der neue Vorschlag würde diesen Rhythmus für ältere Autos drastisch verkürzen. Beschlossen ist jedoch noch nichts: Sowohl das Europäische Parlament als auch die Mitgliedstaaten müssen dem Vorhaben zustimmen. Der Weg zur Umsetzung ist also noch lang – doch die Diskussion ist bereits in vollem Gange.
2. Die Argumente der EU-Kommission

Die EU sieht in der Maßnahme ein wirksames Mittel zur Reduzierung von Verkehrsunfällen und Unfallopfern. Laut der Kommission zeigen Studien, dass ältere Fahrzeuge häufiger in Unfälle verwickelt sind und generell eine höhere Pannenanfälligkeit aufweisen.
Zwar machen technische Defekte laut Unfallstatistiken nur einen kleinen Teil der Unfallursachen aus, dennoch könnte eine engmaschigere Kontrolle laut EU bis zu ein Prozent der Verkehrstoten und Verletzten verhindern. Die Begründung: Selbst kleine technische Mängel können bei alten Fahrzeugen gravierende Folgen haben – insbesondere, wenn sie unbemerkt bleiben. Die geplante Reform sei deshalb eine Investition in die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer.
3. Der ADAC hält dagegen

Der ADAC reagiert kritisch auf den Vorstoß aus Brüssel. Laut dem Automobilclub sind technische Defekte nur für weniger als ein Prozent der tödlichen Unfälle verantwortlich – und viele dieser Mängel könnten selbst durch häufigere HUs nicht verhindert werden.
Zudem sei der Aufwand für eine jährliche Untersuchung bei Millionen Fahrzeugen nicht gerechtfertigt – weder aus Kostensicht noch in Bezug auf die tatsächliche Sicherheitswirkung. Bereits heute zeichne sich die deutsche Fahrzeugflotte durch eine sehr geringe Quote technischer Mängel aus. Laut einer ADAC-Studie der TU Dresden habe eine Verkürzung der Prüfintervalle keinen messbaren Einfluss auf die Unfallstatistik. Deshalb fordert der Club zunächst eine bessere Datengrundlage, bevor über solch weitreichende Eingriffe entschieden wird.
4. Was die Praxis bisher zeigt

In Deutschland wurde die Hauptuntersuchung (HU) in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet. Neben klassischen Bereichen wie Bremsen, Beleuchtung und Fahrwerk werden heute auch Assistenzsysteme, Fehlercodes und die Abgaswerte moderner Fahrzeuge genau überprüft. Besonders im Fokus stehen seit 2018 wieder Endrohrmessungen und seit 2023 auch die Partikelanzahlmessung bei Euro-6-Diesel-Fahrzeugen.
Diese Weiterentwicklungen zeigen, dass die technische Kontrolle bereits sehr umfassend ist. Die Prüfmethoden wurden dem steigenden Komplexitätsgrad moderner Autos angepasst, um mögliche Sicherheitsrisiken frühzeitig zu erkennen. Kritiker einer jährlichen HU betonen deshalb: Ein dichteres Prüfintervall bringt keinen spürbaren Zusatznutzen, wenn das bestehende System bereits auf hohem Niveau arbeitet. Die Notwendigkeit weiterer Verschärfungen sehen viele Fachleute daher skeptisch.
5. Belastung für Halter älterer Fahrzeuge

Für viele Autobesitzer könnte eine jährliche HU eine spürbare finanzielle Belastung bedeuten – besonders bei Fahrzeugen, die ansonsten noch zuverlässig laufen. Gerade in ländlichen Regionen, wo ältere Fahrzeuge oft länger genutzt werden, könnte das Vorhaben auf wenig Verständnis stoßen.
Hinzu kommt der zeitliche Aufwand: mehr Werkstattbesuche, mehr Termine, mehr Bürokratie. Kritiker warnen, dass solche Maßnahmen vor allem einkommensschwache Haushalte treffen würden – und damit soziale Ungleichheiten im Straßenverkehr verstärken könnten. Auch aus Umweltperspektive sei die Maßnahme fragwürdig: Wer ältere, aber funktionstüchtige Fahrzeuge wegen zusätzlicher Kosten verschrottet, sorgt nicht automatisch für mehr Nachhaltigkeit.
6. Noch ist nichts beschlossen

Wichtig zu betonen: Der Vorschlag der EU-Kommission ist bislang nur ein Entwurf. Um in Kraft zu treten, braucht es die Zustimmung des EU-Parlaments und aller Mitgliedstaaten. Es ist also gut möglich, dass der Plan noch angepasst oder ganz verworfen wird.
Zudem könnten Ausnahmen oder Sonderregelungen eingeführt werden, etwa für Fahrzeuge mit regelmäßiger Wartung oder geringer Fahrleistung. Der politische Prozess steht noch am Anfang – doch er zeigt deutlich, wie sensibel das Thema Mobilität in Europa ist. Zwischen Sicherheit, Bürokratie und sozialer Gerechtigkeit wird es eine Herausforderung, einen für alle tragbaren Kompromiss zu finden.
7. Verkehrssicherheit: Symbolpolitik oder echter Fortschritt?

Die geplante jährliche HU für ältere Fahrzeuge wirft eine grundsätzliche Frage auf: Geht es um wirkliche Sicherheit – oder um politische Symbolik? Kritiker bemängeln, dass der Vorschlag nur einen minimalen Einfluss auf Unfallzahlen hätte, aber zugleich viele Millionen Menschen betrifft.
Befürworter hingegen argumentieren, dass jedes Menschenleben zählt – und selbst kleine Verbesserungen bei der Technik-Kontrolle langfristig einen Unterschied machen können. Fakt ist: Die Debatte zeigt, wie komplex das Zusammenspiel zwischen Technik, Politik und Mobilität geworden ist. Während die einen Transparenz und Verhältnismäßigkeit fordern, sehen andere darin einen notwendigen Schritt für die Zukunft. Am Ende steht ein Balanceakt zwischen Bürokratie, Umsetzbarkeit – und echter Verkehrssicherheit.